Selbstwertgefühl stärken und das Leben intensiver und bereichernder erleben

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass ein stabiler Selbstwert auch bei vielen Erwachsenen noch nicht sehr ausgeprägt ist, da diesem oft ein langer Reifeprozess vorausgeht. In der Kindheit und Jugend entfaltet sich die Persönlichkeit und alles erscheint möglich. Erst, wenn sich im Erwachsenenalter neben zahlreichen Begabungen und deren Weiterentwicklungsmöglichkeiten auch dauerhafte Unzulänglich- und Talentlosigkeiten eines Menschen herauskristallisieren, kann eine umfassende Selbstakzeptanz entwickelt werden, die dem Selbstwert zugrunde liegt.

Dort, wo wir nicht besonders, klug, schön oder erfolgreich sind, sondernd durchschnittlich oder eher etwas darunter, dort ist ein Schatz zu heben: Zwischen den Polen „Nicht-genug-Sein“ und „Blendend-Sein“, zwischen „Sich-klein-machen“ und „Sich-groß-machen“ liegt die Selbstakzeptanz, die sagt: „Einiges ist mir heute gelungen, darauf bin ich stolz. Einiges ist mir heute nicht gelungen, das sehe ich. Und dort, wo ich heute unvollkommen, verletzlich und ängstlich war, blicke ich dennoch liebevoll auf mich.“ Gelingt dieser liebevolle Blick auf sich selbst, dann eröffnet er die Möglichkeit, den zweiten Pfeiler des Selbstwertes aufzubauen: Den Mut, wirklich mit anderen Menschen in Beziehung zu treten.

Wem es gelingt, bei eigenen Schwächen und Fehlern so auf sich selbst zu blicken, wie es ein guter Freund tun würde, dem fällt es leichter, den Mut zu haben, die eigene Unvollkommenheit für andere sichtbar werden zu lassen. Wer davon ausgeht, trotz und mit allen Schwächen und Fehlern angenommen und geliebt zu werden, der kann das aufbauen, was die Psychologie soziale Kompetenz und ein starkes soziales Netz nennt: Die Fähigkeit, liebevolle und bereichernde Beziehungen zu gestalten und zu erhalten.  Bereichernd werden Beziehungen letztlich dadurch, dass wir den Einfluss Anderer zulassen. Dass wir zulassen, dass uns Andere in unseren Gedanken, Sichtweisen und Haltungen beeinflussen, ohne Angst zu haben, uns dabei selbst zu verlieren. Es klingt paradox, aber es ist die Fähigkeit, sich im liebevollen Kontakt mit anderen immer wieder aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen, die unsere Stabilität ausmacht und unseren Selbstwert stärkt.

Die Arbeit, den eigenen Selbstwert wachsen zu lassen, bedeutet letztlich, sich selbst ein Geschenk zu machen, von dem auch alle Menschen um uns herum profitieren.

 

Interessante Literatur zu dem Thema:

Friederike Potreck-Rose und Gitta Jacob: „Selbstzuwendung, Selbstakzeptanz, Selbstvertrauen“

Brené Brown: „Verletzlichkeit macht stark“